Darum geht`s

Gemeinsam mit den Kindern werden die Spielsachen für zwei bis drei Monate in die Ferien geschickt. Darunter fallen alle vorgefertigten und strukturierten Spielsachen, die von Erwachsenen für Kinder ausgedacht und entwickelt wurden. Was bleibt, ist unstrukturiertes Material, welches die Fantasie und Kreativität der Kinder anregt.

Die spielzeugfreie Zeit bietet eine Methode um Kinder im freien Spiel in ihrer Eigenaktivität zu unterstützen. Kinder sind von Natur aus neugierig und lernen unglaublich viel, indem sie ihre Umwelt, die Menschen und das Material um sich herum erkunden – und das bereits von ganz klein auf: Wie schmeckt Karton? Wie fühlt sich ein Schwingbesen im Mund an? Wie hoch kann ich klettern? Ich habe eine Idee, aber wie kann ich sie den Anderen mitteilen?

So entwickeln Kinder Mut, Autonomie, Selbstwert oder anders ausgedrückt, die spielzeugfreie Zeit stärkt die Lebenskompetenzen der Kinder.

Die Erwachsenen, Betreuungspersonen und Erziehenden lösen sich in dieser Zeit vom aktiven Leiten und Ideen geben. Sie geben weiterhin Sicherheit und Geborgenheit und folgen dabei den Ideen der Kinder. 

 

Umsetzung in der eigenen Institution

Seit 2002 unterstützen wir Kindergärten im Aargau bei der Durchführung der spielzeugfreien Zeit. 2020 wurden die jahrelangen Erfahrungen genutzt, um die Projektidee auch für Kitas umsetzbar zu machen. Auch andere Tagesstrukturen waren immer herzlich willkommen. Die anhaltende Nachfrage von Tagesfamilien und Spielgruppen bewirkte, dass es ab 2022 offiziell wurde: Das Projekt Spielzeugfreie Kita wandelte sich zur Spielzeugfreien Vorschule.

Wir führen jährlich Kurse durch, denn Kitas, Spielgruppen und andere Tagesstrukturen sind sehr heterogen organisiert. Es gibt nicht DIE Umsetzung der spielzeugfreien Zeit. Die konkrete Umsetzung wird mit Hilfe eines Leitfaden individuell geplant und von Fachpersonen der Suchtprävention Aargau begleitet.

Im Kurs zeigen wir auf, wie das Projekt präventiv wirken soll, wo Stolpersteine und Erfolgsmomente liegen können. Ein zentrales Thema im Kurs ist die Rolle der Betreuungspersonen.

 

Fragen und Antworten

Warum Suchtprävention im Vorschulalter? Alkohol und Zigaretten sind doch für kleine Kinder noch weit entfernt?

Einfach gesagt, ist Prävention vergleichbar mit Zähneputzen – auch das machen wir täglich, obwohl viele Zähne noch gesund sind – keine Löcher oder kein entzündetes Zahnfleisch da ist. Ziel ist es nämlich die Zähne gesund zu erhalten.

Und genau das wollen wir auch mit der spielzeugfreien Zeit in der Vorschule erreichen – wir wollen die Gesundheit der Kinder stärken – sie fit machen fürs Leben. Kinder haben den Wunsch gesehen zu werden, Dinge selber zu tun, ihre Ideen auszuprobieren. Sie wollen Selbstwirksamkeit erfahren, selbst etwas bewirken, sich an Anderen messen, gemeinsam Dinge erbauen und erleben. Die spielzeugfreie Zeit bietet ihnen dazu viel Raum, weil der Alltag nicht von Erwachsenen beeinflusst und gesteuert wird.

All dies sind Lebenskompetenzen, also Fähigkeiten, die einem Menschen helfen, mit schwierigen Situationen, Stress oder Druck umzugehen. Und so muss auch im Jungend- und Erwachsenenalter nicht nach Alkohol und Zigaretten gegriffen werden.

Alle vorgefertigten und strukturierten Spielsachen werden weggeräumt. Das sind Dinge, die von Erwachsenen für Kinder ausgedacht und entwickelt wurden.

Beispiele: Gesellschafts- und Kartenspiele, Bücher, Autöli, Kugelbahn, Puppen, Geschirr, Kleider, Legos, Puzzles, Duplos, Farben, Plüschtiere etc.

Falls die Kinder für die Umsetzung einer Idee etwas von diesen Dingen brauchen – beispielsweise Farbstifte und Papier um Eintrittskarten für den Zirkus zu fertigen – werden sie zu Verfügung gestellt und anschliessend wieder weggeräumt.

Unstrukturiertes Spielmaterial, welches die Fantasie, Kreativität und das Vorstellungsvermögen des Kindes anregt, bleibt.

Beispiele: Naturmaterial, Mobiliar, Tücher, Röhren, Schachteln und Kisten, Kissen und Decken, Seile, Reifen, Abfallmaterial, wie Eierschachteln, Röhren, Harassen, PET etc.

Es gibt aber auch Materialen, wie Bauklötze, Murmeln und Bälle, die sich nicht genau zu ordnen lassen. Wir empfehlen hier mutig zu sein und im Zweifelsfall auch diese wegzuräumen.

Während einige Kinder sehr schnell ins Projekt finden, gibt es andere, die etwas länger Zeit brauchen, um sich zurecht zu finden. Fast jedes Kind findet früher oder später seinen Platz. Falls dies einem Kind nicht gelingt, dann greift die Betreuungsperson unterstützend ein.

Gut möglich, dass es Kindern langweilig ist – das ist nichts Schlechtes. Schliesslich entstehen oft aus Langeweile die kreativsten Ideen. Auch hier nimmt sich die Betreuungsperson zurück und beobachtet die Situation. Es kommt durchaus vor, dass Frustrationen überwunden werden müssen: Wo man sich sonst einfach mit einem Konsumgut ablenken kann, entsteht nun Langeweile.

Bei den ganz Kleinen steht das Material nicht im Vordergrund. Sie sind von Natur aus neugierig und können mit den verschiedensten Materialien etwas anfangen. Viel zentraler ist in diesem Alter die Rolle der Betreuungsperson: Feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, mit ihm in Kontakt zu sein, aber auch den Raum für Entdeckungen zu schaffen. Das ist auch bei den Kleinsten möglich und förderlich.

Die Betreuungspersonen sind im Projekt gefordert, sich mit eigenen Ideen und Initiativen zurückzuhalten. Geplante Sequenzen, wie gemeinsame Lieder singen, fallen weg. Dies führt manchmal zu Trugschluss, dass so die Sprachförderung zu kurz komme. Während des Projekts sind die Betreuungspersonen aufmerksam dabei. Sie sind mit den Kindern im Kontakt, fragen nach, benennen Bedürfnisse und ermutigen. Die Kinder lernen sich mehr und mehr (ihrem Entwicklungsstand entsprechend) auszudrücken, zu sagen, was sie möchten, Ideen zu kommunizieren, andere ins Spiel mit einzubinden. Die Sprache entwickelt sich so auf ganz natürliche Weise.

Spielzeugfreie Zeit heisst nicht regelfreie Zeit!  Grundregeln sind sehr wichtig für das Zusammenleben und sie bleiben meist bestehen. Andere Regeln fallen weg oder werden angepasst. Dem Alter entsprechend werden die Kinder in den Veränderungsprozess mit einbezogen. Oft entstehen während der spielzeugfreien Zeit neue, vielleicht auch ungewohnte Abmachungen und Lösungen.

Es ist gut möglich, dass sich die Elternzusammenarbeit verändert. Die Unterstützung der Eltern ist ein wesentlicher Bestandteil des Projekterfolgs. Ein Grossteil der Eltern ist dem Projekt gegenüber positiv eingestellt und unterstützt die Institution in ihrem Vorhaben.

Daher ist eine transparente Kommunikation mit den Eltern wichtig, um Ängste, Bedenken und Unsicherheiten abzuholen.

Es empfiehlt sich, die Eltern bereits vor Projektstart über das Projekt zu informieren, am besten mit einem Elternabend. Auch während der spielzeugfreien Zeit werden Eltern über die Entwicklung ihres Kindes und des Projekts auf dem Laufenden gehalten.

Bei der ersten Durchführung werden die Tagesstrukturen von der Suchtprävention Aargau unterstützt.

Wir empfehlen allen interessierten Tagesstrukturen, eine Weiterbildung zu besuchen. Warum? Spielzeugfreie Zeit bedeutet mehr, als einfach «nur» strukturiertes Spielzeug wegzuräumen.  Die Rolle der Betreuungsperson im Projekt ist entscheidend und kann auch herausfordernd sein.

Die Weiterbildung setzt sich einerseits aus einem Kurs zusammen, der auf mögliche Stolpersteine aufmerksam macht. Ängste und Unsicherheiten werden angesprochen, Möglichkeiten der Umsetzung gesammelt und diskutiert. Andererseits gibt es bei der ersten Durchführung eine fachliche Begleitung während der Projektzeit. Der Austausch mit anderen spielzeugfreien Institutionen ist äusserst wertvoll.

Die Suchtprävention Aargau bietet jedes Jahr einen Kurs für interessierte Vorschulinstitutionen an. Für Betreuungspersonen aus Aargauer Institutionen ist der Kurs kostenlos, für Ausserkantonale kostet er CHF 500.

Es ist grundsätzlich immer möglich das Projekt umzusetzen. Die Suchtprävention Aargau empfielt eine Durchführung zwischen Januar und April mit einer Projektdauer von 8-12 Wochen. Grund dafür ist, dass im Sommer durch den Eintritt in den Kindergarten womöglich ein grösserer Wechsel der Gruppe ansteht. Ausserdem sind die Kinder in den Sommermonaten vermehrt draussen und dadurch tendenziell schon spielzeugfreier. 

In den Monaten Januar bis April wird die Projektdurchführung von der Suchtprävention Aargau begleitet. Dies beinhaltet einen regelmässigen Austausch, um laufende Fragen zu klären und Ideen zu teilen.